Bundesberufungsgericht Washington: „Bürger Trump hat keine göttlichen Rechte“

von | 9 Feb 2024

Das Urteil des Berufungsgerichts in Washington D.C. ermöglicht es nun, Donald Trump strafrechtlich zu verfolgen. Es könnte auch einen Einfluss auf die konservativen Wähler der Mitte und die Wechselwähler haben, was für den Ausgang der Präsidentschaftswahlen entscheidend sein könnte.

Zusätzliche Kopfschmerzen dürfte Donald Trump die Entscheidung des Obersten Gerichtshofes der Vereinigten Staaten bereiten. Der Supreme Court wird in einem Eilverfahren darüber entscheiden, ob Donald Trump an den Vorwahlen in Colorado teilnehmen darf.

Dies könnte auch Auswirkungen auf seine Kandidatur in anderen Bundesstaaten haben: In mehr als zehn Staaten wird derzeit die Wählbarkeit von Donald Trump angefochten. Auch in Maine soll er von den Wahlzetteln gestrichen werden. Die endgültige Entscheidung wurde dort allerdings bis zum Urteil des Obersten Gerichtshofs im Fall Colorado vertagt.

Donald Trumps Antrag auf Immunität

Am 6. Februar 2024 wies das Berufungsgericht in Washington Donald Trumps Behauptung, als ehemaliger US-Präsident genieße er auch noch Jahre nach seinem Ausscheiden aus dem Amt absolute Immunität, entschieden zurück. Der ehemalige Präsident Trump sei zum Bürger Trump geworden, hieß es in dem Urteil. Er besitze nicht das „göttliche Recht der Könige“, sondern müsse sich dem Gesetz unterordnen.

Donald Trumps Anwälte hatten seinen „Antrag auf Immunität“ eingereicht, nachdem Anfang August 2023 der Generalstaatsanwalt des Justizministeriums in Washington D.C., Jack Smith, Donald Trump beschuldigte, versucht zu haben, die Präsidentschaftswahl 2020 umzukehren.

Verhandlung über Donald Trumps Immunität

Am 9. Januar 2024 begann die Verhandlung vor dem Berufungsgericht in Washington, D.C.. Donald Trumps Anwälte hatten argumentiert, dassPräsidenten zur Untätigkeit verleitet werden könnten, wenn sie bei ihrem Ausscheiden aus dem Amt keine Immunität genießen würden.

Doch die drei Richter entschieden, dass die Justiz die verfassungsmäßige Pflicht habe, bei der Strafverfolgung Gerechtigkeit walten zu lassen. Eine vollständige Immunität ehemaliger Präsidenten vor Strafverfolgung würde diese Gerechtigkeit außer Kraft setzen. Außerdem hätten frühere Präsidenten immer “sich selbst als anklagbar und strafrechtlich verantwortlich gesehen”, so die Richter. Damit überwiege das öffentliche Interesse daran, auch ehemalige Führungskräfte für kriminelle Verfehlungen zur Verantwortung zu ziehen.

Donald Trump wird Aufschub gewährt

Das Gericht in Washington gab Donald Trump bis zum 12. Februar 2024 Zeit, einen Aufschub zu beantragen und eine vollständige Überprüfung durch den Obersten Gerichtshof zu erwirken. Für den Fall, dass die Richter am Obersten Gericht Donald Trump keinen Aufschub gewähren, wird der Fall an das Bezirksgericht zurückverwiesen und der Prozess könnte im Frühjahr beginnen. Es ist jedoch wahrscheinlicher, dass der Fall in der heißen Wahlkampfphase schneller vor dem Obersten Gerichtshof landen wird.

Ändert das etwas an Donald Trumps Chancen, im November republikanischer Präsidentschaftskandidat zu werden?

Glaubt man den Umfragen, nein!

Umfragen spiegeln die Wählerstimmung

Im landesweiten Umfragedurchschnitt liegt Donald Trump 2,3 Punkte vor Amtsinhaber Joe Biden. In den sechs wahlentscheidenden Swing-Staaten Arizona, Georgia, Michigan, Nevada, Pennsylvania und Wisconsin liegt er sogar im Schnitt mit 3,8 Prozentpunkten vorn.

Auch wenn die nationalen Umfragen ein Spiegelbild der allgemeinen Stimmung in der Bevölkerung darstellen und oft im Einklang mit dem Ergebnis der Wahl stehen, so sind sie doch trügerisch. Es gibt nämlich deutliche Unterschiede im Umfrageergebnis, je nach dem, wie genau die Umfrageinstitute arbeiten: Die präziseren Umfragen zeigen bessere Ergebnisse für Joe Biden, wogegen ihre weniger genauen Pendants Donald Trump die Führung geben.

Es verbleiben noch zehn Monate bis zur Präsidentschaftswahl und immer wieder wird die Frage gestellt:

Was ist für die Wähler am Wichtigsten?

Allgemein geantwortet: Die Wähler betrachten die Wirtschaft als das wichtigste Problem des Landes. Studien, die den Zusammenhang zwischen wirtschaftlicher Entwicklung und Wahlergebnissen untersuchen, kommen zu drei Ergebnissen:

  • Die Wähler-Meinung über die Wirtschaft spielt eine große Rolle
  • Die Wähler hassen Inflation
  • Die Wähler haben ein kurzes Gedächtnis.

Das bedeute, gemäß dieser Studien wählen die Amerikaner „wie sie sich gerade fühlen“ und „vergessen oder ignorieren, wie sie sich während der Amtszeit des Amtsinhabers gefühlt haben“.

Ein Plus für Joe Biden

Dies ist gut für Amtsinhaber Joe Biden. Denn die Wirtschaft verbessert sich gerade rapide. Die Inflation ist gesunken, ohne dass es zu einer Rezession gekommen wäre, und der angespannte Arbeitsmarkt sorgt weiterhin für ein starkes Wachstum der Reallöhne.

Das Wirtschaftswachstum könnte Joe Biden somit zum Sieg verhelfen, auch wenn die Wähler zu fast 60 Prozent nicht mit Joe Bidens Wirtschaftspolitik einverstanden sind. Donald Trump wird in Wirtschaftsfragen deutlich besser bewertet.

Das Wahlmänner-Gremium

Doch das amerikanische Wahlsystem hat eine Besonderheit: sein Electorial-Collage-System, das sogenannten Wahlmänner-Gremium. Aufgrund dieses Systems ist ein Sieg in den Umfragen noch keine Garantie für einen Sieg bei den Wahlen. Das Wahlmänner-Gremium hat sich in den letzten Jahrzehnten in der Regel zugunsten der Kandidaten der Republikaner ausgewirkt.

Andererseits lieferten Umfragen, die vor dem Sommer eines Wahljahres durchgeführt wurden, schlechte Ergebnisprognosen. Somit kann eigentlich kein klarer Gewinner aus den Umfrage ermittelt werden.

Das mexikanische Grenzproblem

Was hat die Grenze zu Mexiko mit der Präsidentschaftswahl zu tun?

An der Grenze zu Mexiko besteht schon seit Jahren das Problem, dass täglich unzählige Migranten illegal in die Vereinigten Staaten einwandern. Die amerikanischen Wähler wollen jedoch, dass die Grenze wieder sicher ist und die illegale Einwanderung gestoppt wird.

Unter Präsident Joe Biden hat die Zahl der an der Südgrenze der USA aufgegriffenen Migranten einen Höchststand erreicht. Im jetzigen Wahlkampf wird seine Politik unter anderem aber daran gemessen, wie er die Sicherheit der mexikanischen Grenze wieder herstellt.

Ein Gesetz zur Verbesserung der Grenzsicherheit ist daher dringend gefordert. Doch die Verhandlungen zwischen dem Weißen Haus und einigen Senatoren ziehen sich bereits seit Monaten hin. Manche Republikaner machen ihre Unterstützung für das Gesetz von Finanzhilfen an die Ukraine und Israel abhängig. 

Gesetz zur Verbesserung der Grenzsicherheit

Am 4. Februar veröffentlichte der Senat einen 370-seitigen parteiübergreifenden Gesetzesentwurf einer Einwanderungsreform. Doch schon kurz nach der Bekanntgabe des Gesetzesentwurfs verurteilten die Republikaner im Repräsentantenhaus das Vorhaben und Republikaner im Senat blockierten am 7. Februar die formelle Abstimmung über den Gesetzesentwurf.

Der Gesetzesentwurf gilt als besonders konservativ. Dennoch lehnten die Republikaner im Senat das von ihnen mitgestaltete Gesetz auf Druck von Donald Trump ab. Dieser beabsichtigt, mit Grenzstreitigkeiten Wahlkampf zu machen.

Präsident Biden wird es schwer haben, an der Grenze für Ordnung zu sorgen, wenn er nicht die Milliarden des Gesetzes zur Verfügung hat. Wird diese Hinhaltepolitik Joe Bidens Wahlchancen verringern?

Oder stellt sich für Donald Trump gar ein ganz anderes Problem?

Darf Donald Trump überhaupt wieder kandidieren?

Am 8. Februar 2024 hören die neun Richter des Obersten Gerichtshofs Argumente zu einer neuen und wichtigen Rechtsfrage: Sollte Trump von den Bundeswahlen ausgeschlossen werden?

Ob der ehemalige Präsident Donald J. Trump von einer erneuten Kandidatur ausgeschlossen wird, hängt zum Teil davon ab, wie seine Bemühungen gewertet werden, seine Wahlniederlage von 2020 zu revidieren: Handelt es sich bei diesen Bemühungen, die am 6. Januar 2021 in einem Aufstand seiner Anhänger im Kapitol gipfelten, um die Unterstützung oder Beteiligung an einem Aufstand?

Dieser Fall stützt sich auf eine weitgehend ungeprüfte Klausel in einem Verfassungszusatz aus der Zeit nach dem Bürgerkrieg. Diese schließt die Regierungsbeamte, die „an einem Aufstand oder einer Rebellion beteiligt waren“, von der Ausübung ihres Amtes aus.

Der Oberste Gerichtshof von Colorado hatte Donald Trump im Dezember 2023 von den Vorwahlen in Colorado und Maine ausgeschlossen; der Ex-Präsident legte jedoch Berufung ein.

Das Gericht in Colorado hatte Donald Trump auf der Grundlage von Abschnitt 3 des 14. Verfassungszusatzes von den republikanischen Vorwahlen ausgeschlossen. Diese Bestimmung wurde nach dem Bürgerkrieg eingeführt, um das Verhalten von Beamten zu regeln, die einen Eid auf die Verfassung geleistet hatten, diesen Eid jedoch durch ihre Beteiligung an Aufständen vor und während des Bürgerkriegs gebrochen hatten.

Die Formulierung ist jedoch allgemein gehalten, und die meisten Verfassungsrechtler sind der Ansicht, dass Aufständische nach wie vor aus dem Dienst zu entfernen sind.

Bei der Prüfung, ob Abschnitt 3 des 14. Verfassungszusatzes auf Herrn Trump anwendbar ist, kamen ein Richter in Denver und der Oberste Gerichtshof von Colorado zu dem Schluss, dass seine Handlungen diesen Standard erfüllen.

Noch nie wurde ein Präsidentschaftskandidat als eidbrüchiger Aufrührer angeklagt, so dass es keinen direkten Präzedenzfall des Obersten Gerichtshofs zu dieser Frage gibt.

Nach einer Auswertung von Gerichtsakten und anderen Dokumenten durch die New York Times sind in mindestens 35 Bundesstaaten formelle Anfechtungen der Kandidatur von Donald J. Trump für das Amt des US-Präsidenten eingereicht worden.

Was geschieht jetzt nach der Anhörung?

In der Regel dauert es etwa drei Monate, bis der Oberste Gerichtshof ein Urteil fällt. Die wichtigsten Urteile werden in der Regel nicht vor Ende Juni gefällt, unabhängig davon, wie früh in der Legislaturperiode die Fälle verhandelt werden. Der vorliegende Fall ist jedoch anders gelagert, und die Nation kann mit einer schnellen Entscheidung rechnen.

Die Richter haben den Fall als Eilverfahren eingestuft, und die Parteien haben um eine schnelle Entscheidung gebeten, da sie der Meinung sind, dass die Wähler bald wissen sollten, ob der ehemalige Präsident Donald J. Trump auf dem Wahlzettel stehen darf.

Das Gericht könnte durchaus noch vor dem Super Tuesday am 5. März entscheiden, wenn in Colorado und 14 weiteren Bundesstaaten die Vorwahlen stattfinden.

Zur englischen Übersetzung des Artikels: Washington federal appeal court: “Citizen Trum has no divine rights”

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