Künstliche Intelligenz: Fit für Nachhaltigkeit?

von | 25 Mrz. 2024

In der sich schnell entwickelnden Welt der Technologie ist die Nachhaltigkeit von Systemen der künstlichen Intelligenz (KI) eine wichtige Frage. Diese Systeme versprechen, alles vom Energiemanagement bis zur Medizindiagnostik zu revolutionieren. Doch während wir uns die Vorteile dieser fortschrittlichen Technologie zunutze machen, müssen wir uns auch Gedanken über ihre Auswirkungen auf unsere Umwelt machen.

Zunächst einmal dürfen wir nicht vergessen, dass sich unsere Gesellschaft aktiv für die KI-Technologie entschieden hat. Es stellen sich nun Fragen der Ethik und der nachhaltigen Entwicklung im Zusammenhang mit Systemen der künstlichen Intelligenz. Wie wirkt sich das Training von KI-Algorithmen auf unsere Umwelt aus und wie hoch sind die finanziellen und ökologischen Kosten? Was müssen wir auf dem Weg zu einer nachhaltigen KI berücksichtigen?

KI eine Entscheidung der Gesellschaft

Unsere Gesellschaft hat die Entscheidung getroffen, die KI-Technologie zu nutzen. Künstliche Intelligenz ist kein Naturphänomen, sondern eine Technologie, die von Menschen bewusst entwickelt und eingesetzt wird. Daher könne wir diese Technologie weiterentwickeln und einsetzen, müssen es aber nicht. Wir sollten daher sorgfältig auswählen und entscheiden, dass KI-Systeme so eingesetzt werden, dass die Werte unserer Gesellschaft, z. B. Privatsphäre, Würde, Fairness, Gerechtigkeit, Nachhaltigkeit, geschützt werden. Eine künstliche Intelligenz, die unsere Gesellschaft voranbringen soll, darf nicht dazu führen, dass wir unsere Werte der Technik opfern.

Aimee van Wynsberghe (2021). Sustainable AI: AI for sustainability and the sustainability of AI. AI and Ethics, 1(3), 213–218. https://doi.org/10.1007/s43681-021-00043-6

KI-Ethik

Aus diesem Gedanken heraus hat sich eine ethische Betrachtungsweise der KI-Technologie entwickelt. Doch die KI entwickelt sich ständig weiter und so hat sich mit der Technik auch der Schwerpunkt der ethischen Herangehensweise weiterentwickelt.

Anfangs fragte sich die KI-Ethik, was eine künstliche Intelligenz tun könnte. Dies führte zu phantasievollen Szenarien von Roboteraufständen.

Dann befasste sich die KI-Ethik mit den praktischen Problemen des maschinellen Lernens: dem Black-Box-Algorithmus und dem Problem der Erklärbarkeit sowie der Zunahme von Gesichts- und Emotionserkennungssystemen, die die Rechte der Bürger verletzen.

Nun wird es nötig sein, sich mit den ökologischen Folgen der KI-Technologie auseinanderzusetzen. Die neue KI-Ethik bemüht sich jetzt, Wissenschaftler, politische Entscheidungsträger, KI-Entwickler und die breite Öffentlichkeit für die Nachhaltigkeit und die Umweltauswirkungen von KI zu sensibilisieren.

Die KI-Ethik unterscheidet dabei zwei Bereiche: den Bereich der Nachhaltigkeit mit Hilfe von KI und dann den Bereich der Nachhaltigkeit von KI.

Der Bereich – Nachhaltigkeit mit Hilfe von KI – ist mit der bekannten Non-Profit-Organisation „AI4Good“ schon etwas weiter entwickelt.  Hier geht es darum, KI-Anwendungen und maschinelles Lernen zu nutzen, um die Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen (Sustainable Development Goals, SDGs) zu erreichen. Lesen Sie hierzu auch die Artikel: KI-Technologien: Im Dienste der Nachhaltigkeit und Künstliche Intelligenz: Zu hungrig und zu durstig

Der Bereich – Nachhaltigkeit von KI – ist noch recht jung und bedarf noch genauer Untersuchungen. Dazu gehört die Frage, was eine nachhaltige KI eigentlich ist und wie sie mit der nachhaltigen Entwicklung in Verbindung gebracht werden kann.

Was ist nachhaltige Entwicklung?

Die Abteilung für nachhaltige Entwicklungsziele der Vereinten Nationen definierte eine nachhaltige Entwicklung als „eine Entwicklung, die den Bedürfnissen der heutigen Generation entspricht, ohne die Möglichkeiten künftiger Generationen zur Befriedigung ihrer eigenen Bedürfnisse zu gefährden“. Somit fordert eine nachhaltige Entwicklung, dass die Ressourcen auf der Welt von der einen Generation zur nächsten gerecht verteilt werden ohne, auf die eigene innovative Entwicklung zu verzichten. Bei der nachhaltigen Entwicklung sollen die Bedürfnisse von Umwelt, Wirtschaft und Gesellschaft gleichermaßen erfüllt werden.

Die Abteilung für nachhaltige Entwicklungsziele (Sustainable Development Goals Division, DSDG) der Wirtschafts- und Sozialabteilung der Vereinten Nationen (United Nations Economic and Social Division, UNDESA) hat die Funktion des SGD-Sekretariats und bietet konkrete Unterstützung und Kapazitätsaufbau für die nachhaltige Entwicklungsziele und damit verbundene Bereiche wie Wasser, Energie, Klima, Ozeane, Urbanisierung, Verkehr, Wissenschaft und Technologie. Die Abteilung für nachhaltige Entwicklungsziele spielt eine Schlüsselrolle bei der Bewertung der systemweiten Umsetzung der Agenda 2030 durch die Vereinten Nationen sowie bei der Interessenvertretung und der Sensibilisierung der Öffentlichkeit für die Ziele für nachhaltige Entwicklung.

About | Department of Economic and Social Affairs (un.org)

Was ist nachhaltige KI?

Was bedeutet in diesem Zusammenhang nachhaltige künstliche Intelligenz? Einerseits fällt der Bereich Nachhaltigkeit mit Hilfe von künstlicher Intelligenz unter dieses Thema, andererseits muss der Bereich der Nachhaltigkeit von künstlicher Intelligenz selber diskutiert werden. Hier geht es darum, wie künstliche Intelligenz entwickelt werden kann, damit die Umweltressourcen für uns und spätere Generationen erhalten bleiben und dabei gleichzeitig mit den Wirtschaftsmodellen für Gesellschaften und mit sozialen Werten, die für eine bestimmte Gesellschaft grundlegend sind, vereinbar ist.

Eine nachhaltige KI unterstützt die Umweltverträglichkeit und die soziale Verträglichkeit der KI-Produkte während des gesamten Lebenszyklus einer KI-Technologie. Sie konzentriert sich auf das gesamte sozio-technische System der KI-Technologie und nicht nur auf die KI-Anwendungen.

Dementsprechend befasst sich nachhaltige KI einerseits mit der Hardware, den Methoden, mit denen die KI trainiert wird, der Datenverarbeitung und der KI-Anwendung. Gleichzeitig müssen auch während des gesamten Lebenszyklus einer KI-Technologie Fragen der nachhaltigen Entwicklung dieser Technologie geklärt werden.

Umweltauswirkungen des KI-Trainings

Die Umweltauswirkungen des KI-Trainings (und der Feineinstellung) sind das Herzstück der KI Nachhaltigkeit. Einer wissenschaftlichen Studie zufolge, verursacht das Training eines einzigen Deep-Learning-Modells für die Verarbeitung natürlicher Sprache etwa 626,000 Pfund (284.000 Kilogramm) Kohlendioxidemissionen. Dies entspricht ungefähr dem Kohlendioxidausstoß von fünf Autos während ihrer gesamten Lebensdauer, oder dem Kohlendioxidausstoß von durchschnittlich 57 Menschen während eines Jahres.

Strubell, E., Ganesh, A., & McCallum, A. (2019). Energy and Policy Considerations for Deep Learning in NLP. https://doi.org/10.48550/ARXIV.1906.02243.

Andere Studien haben gezeigt, dass die Erforschung von AlphaGo Zero von Google in 40 Tagen Training rund 96 Tonnen CO2 erzeugt hat, was 1000 Flugstunden oder dem CO2-Fußabdruck von 23 amerikanischen Haushalten entspricht.

Für ein einmaliges, vollständiges GPT-3-Training errechneten Wissenschaftler eine CO₂-Belastung von 552 Tonnen CO2-Äquivalent.

CO2-Ausstoß von ChatGPT und Co: Klimakiller künstliche Intelligenz? – Golem.de

Für die Herstellung, Nutzung bis zur Entsorgung eines Macbook Pro mit 14 Zoll werden 271 Kilogramm CO₂-Äquivalent ausgestoßen. Ein Fluggast von New York nach San Francisco und zurück je nach Airline verbraucht zwischen 500 Kilogramm und einer Tonne CO2. Die Durchschnittsemissionen aller 2022 in Deutschland angemeldeten Pkw betrugen bei 10.000 Kilometer Fahrleistung pro Jahr und Fahrzeug etwa 1,1 Tonnen (Kraftfahrt-Bundesamt – Monatliche Neuzulassungen – Neuzulassungsbarometer im Dezember 2022 (kba.de)).

Florian Zandt,( 22. Februar 2023). CO2-AUSSTOSS VON CHATGPT UND CO. Klimakiller künstliche Intelligenz?  https://glm.io/171908.

Die Forscher betonen zudem, dass das Feineinstellen – auch bekannt als „re-purposing“ (Umfunktionieren) oder „refining“(Verfeinern) – eines KI-Modells teurer ist als das Training eines Modells von Grund auf.

Somit verursacht das Training der KI-Algorithmen nicht nur finanzielle sondern auch ökologische Kosten. Die finanziellen Kosten entstehen durch die Hardware und den Stromverbrauch bzw. die Rechenzeit in der Cloud. Die ökologischen Kosten werden als CO2-Fußabdruck berechnet.

Zwar ist es möglich, einen Teil der benötigten Energie aus erneuerbaren Quellen zu generieren oder durch Kohlenstoffgutschriften zu kompensieren. Doch dies geschieht derzeit nur an sehr wenigen Orten. Außerdem steht erneuerbare Energie leider nicht konstant und zuverlässig in großen Mengen zur Verfügung.

Wird also die Nachhaltigkeit von KI-Technologie untersucht, konzentrieren sich die Wissenschaftler auf nachhaltige Datenquellen, Stromversorgung und Infrastruktur, um den CO2-Fußabdruck beim Training und/oder Feineinstellen eines Algorithmus zu messen und zu reduzieren.

Carbon Tracker

In diesem Zusammenhang stellt sich nun die Frage, wie die Nachhaltigkeit der Entwicklung und des Einsatzes von KI-Technologie gemessen werden kann. Dies kann beispielsweise geschehen durch die Messung des CO2-Fußabdrucks, der Rechenleistung für das Training von Algorithmen usw.

Die Wissenschaftler haben bereits Techniken entwickelt, um die Kohlenstoffemissionen zu verfolgen. Es gibt einen Emissionsrechner für maschinelles Lernen (Emissions Calculator for Machine Learning)  und ein sogenanntes Verfolgungssystem für die Auswirkungen von Experimenten (experiment-impact-tracker).

Jens Gröger. Digitaler CO2-Fußabdruck Datensammlung zur Abschätzung von Herstellungsaufwand, Energieverbrauch und Nutzung digitaler Endgeräte und Dienste. Öko-Institut e.V. Berlin, 14. Juli 2020. Im Auftrag des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e.V. (BUND). Digitaler CO2-Fußabdruck (oeko.de)

Auf dem Weg zu einer nachhaltigen KI

Wenn wir uns mit der KI-Technologie beschäftigen, müssen wir unbedingt ihre Auswirkungen auf die Umwelt berücksichtigen. Auf dem Weg zu einer nachhaltigen KI-Technologie spielen drei wichtige Gedanken eine Rolle.

Zunächst einmal wissen wir noch nicht sehr viel über diese Technologie. Bisher können wir den Einsatz der künstlichen Intelligenz als eine Art soziales Experiment an der Gesellschaft betrachten, bei dem wir noch viel lernen müssen.

Darüber hinaus brauchen wir Expertengruppen für die KI-Technologie in den Regierungen. Diese sollten sich aktiv mit Unternehmen und öffentlichen Einrichtungen vernetzen und diese veranlassen, über die CO2-Emissionen zu berichten, die durch das Training und die Optimierung von KI-Systemen entstehen. Zusätzlich sollten kleine und mittlere Unternehmen gefördert werden, die sich aktiv für nachhaltige KI-Konzepte einsetzen.

Außerdem sollte z.B. die Europäische Kommission im Rahmen ihrer Regulierungsoptionen für KI, einen „Rahmen der Verhältnismäßigkeit“ schaffen, um zu bewerten, ob das Training oder die Feineinstellung eines KI-Modells für eine bestimmte Aufgabe in einem angemessenen Verhältnis zum CO2-Fußabdruck und den allgemeinen Umweltauswirkungen steht.

Schließlich könnten die Anwender von KI-Systemen sich fragen, ob es angesichts der Tatsache, dass es etwa 600 Millionen Menschen auf der Welt gibt, die keinen Zugang zu moderner Elektrizität haben, es sinnvoll ist, KI-Modelle zu trainieren, die den Weltmeister im Go-Spiel (AlphaGo) schlagen können, anstatt diese Haushalte mit Elektrizität zu versorgen.

Die englische Übersetzung diese Artikels finden Sie unter: Artificial Intelligence: Fit for Sustainability?

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