Unser Alltag ist ohne Künstliche Intelligenz (KI) nicht mehr vorstellbar. Doch die smarten Gefährten des täglichen Lebens haben ihren ökologischen Preis: Immer mehr Modelle künstlicher Intelligenz werden auf energieintensiven Servern in großen Rechenzentren trainiert und eingesetzt. Das Training eines einzigen neuronalen Netzes verursacht so viel Kohlendioxid wie der Betrieb von fünf Autos. Auch der Energieverbrauch von künstlicher Intelligenz rückt zunehmend in den Blickpunkt. Die rasante Entwicklung von KI-Technologien erfordert immer mehr Rechenleistung, die wiederum gewaltige Mengen an Strom und Ressourcen verbraucht. Leider ist der enorme Wasser-Fußabdruck von KI-Modellen – viele Millionen Liter Trinkwasser, die für die Stromerzeugung und die Kühlung von Servern entnommen oder verbraucht werden – weitgehend unbeachtet geblieben.
In diesem Artikel werden die Umweltauswirkungen digitaler Geräte diskutiert. Dabei wird sowohl auf den CO2-Fußabdruck von digitalen Geräten als auch auf den Energieverbrauch des Internets und den Wasserverbrauch von KI eingegangen. Abschließend werden Wünsche und Empfehlungen an die Verbraucher*innen und die Produzenten und Betreiber dieser Technologie formuliert. Denn trotz vieler Vorteile und Potenziale ist der ökologische Fußabdruck von KI ein großes öffentliches Diskussionsthema.
Umweltauswirkungen digitaler Geräte
Die Umweltbelastungen, die mit der Herstellung und Entsorgung unserer digitalen Geräte verbunden sind, sind den wenigsten von uns bewusst. Ebenso wenig ist bekannt, wie viel Energie in Datennetzen und Rechenzentren verbraucht wird. Diese Daten werden allerdings nur selten veröffentlicht, da Dienstleister und Hersteller digitaler Produkte nur zögerlich Auskunft geben. Hinzu kommt, dass der Energiebedarf und die Treibhausgasemissionen für die Herstellung der Geräte nicht auf den Geräten selbst angegeben sind und auch der Energiebedarf des Internets und der Rechenzentren in keiner Rechnung auftaucht.
Digitale Geräte haben unsere Lebensgewohnheiten bereits so stark verändert, dass wir viele unserer Aktivitäten – von Bildung, Arbeit, Freizeit, Handel, Konsum, Ernährung, Partnerwahl bis hin zum digitalen Friedhof – bereits auf unsere smarten Helfer verlagert haben. Der ökologische Fußabdruck, den diese hinterlassen, ist für uns jedoch noch weitgehend unsichtbar.
Digitaler CO2-Fußabdruck
Um diese Wissenslücke zu schließen, hat der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) Jens Gröger vom Ökoinstitut in Berlin beauftragt, den digitalen CO2-Fußabdruck für die Herstellung und die Nutzung von digitalen Geräten und Dienstleistungen zu erstellen.
Jens Gröger (2020). Digitaler CO2-Fußabdruck Datensammlung zur Abschätzung von Herstellungsaufwand, Energieverbrauch und Nutzung digitaler Endgeräte und Dienste. Öko-Institut e.V., Berlin. Digitaler CO2-Fußabdruck | oeko.de.
Ziel der Untersuchungen von Jens Gröger ist es nun, eine Datengrundlage zu schaffen, mit der der ökologische Fußabdruck, der durch die Nutzung digitaler Geräte entsteht, berechnet werden kann. Dabei orientiert er sich an der Berechnungsmethode des CO2-Rechners des Umweltbundesamtes (uba.co2-rechner.de). Die Umweltauswirkungen der digitalen Geräte werden als CO2-äquivalente Treibhausgasemissionen (abgekürzt: CO2e) berechnet. Die Maßeinheit für die Emission von Treibhausgasen ist das Kilogramm Kohlendioxid-Äquivalent (kg CO2e).
Digitale Geräte verbrauchen mehr als 700 kg CO2
Jens Gröger hat ermittelt, dass in Deutschland pro Kopf und Jahr insgesamt etwa eine dreiviertel Tonne Treibhausgas-Äquivalente CO2 durch die Herstellung und Nutzung digitaler Geräte und Dienste freigesetzt werden. Die Herstellung der Geräte macht dabei den größten Teil aus.
Seine Ergebnisse sind im folgenden Diagramm dargestellt:
Diagramm des CO2-Fußabdrucks für die intensive Nutzung von Digitaltechnik, entnommen aus Jens Gröger (2020). Digitaler CO2-Fußabdruck Datensammlung zur Abschätzung von Herstellungsaufwand, Energieverbrauch und Nutzung digitaler Endgeräte und Dienste. Öko-Institut e.V., Berlin. Digitaler CO2-Fußabdruck (oeko.de).
Mit rund einer halben Tonne Treibhausgasäquivalent pro Jahr macht die Herstellung der digitalen Geräte etwa die Hälfte des CO2-Fußabdrucks der intensiven Nutzung digitaler Technologien aus. Die drei größten einzelnen Beiträge zu den Treibhausgas-Emissionen aus der Produktion kommen von Fernsehgeräten, Desktop-PCs mit Monitor und Laptops.
Auch bei den Treibhausgasemissionen aus der Nutzungsphase sind TV-Geräte die größten Einzelverursacher. Es folgen Spielkonsolen und Router. Die intensive Nutzung digitaler Technologien findet vor allem im Internet statt: Zusammen 138 Kilogramm CO2 pro Jahr verursachen mobiles Internet, Musikstreaming, Videotelefonie, Videostreaming und Online-Speicher. Die größte Menge an Treibhausgas-Äquivalenten verbraucht dabei das Streaming von Filmen in HD-Qualität.
Energieverbrauch des Internets
Das Internet verbraucht eine große Menge an Strom – etwa 416 TWh pro Jahr. Zum Vergleich: Das ist mehr als der Stromverbrauch des gesamten Vereinigten Königreichs. Von den Rechenzentren über die Übertragungsnetze bis hin zu den Milliarden vernetzter Endgeräte, die wir in den Händen halten – sie alle verbrauchen Strom und erzeugen Kohlendioxidemissionen, die mit dem weltweiten Kohlendioxidausstoß der Luftfahrtindustrie vergleichbar sind.
Kohlenstoffemissionen einer Website
Beim Aufruf einer durchschnittlichen Website im Internet werden pro Seitenaufruf etwa 0,8 Gramm CO2-Äquivalent erzeugt. Dies entspricht 102 kg CO2e pro Jahr bei einer Website mit 10.000 Seitenaufrufen pro Monat.
Das in London ansässige Unternehmen Wholegrain Digital hat eine Methode entwickelt, mit der sich der CO2-Ausstoß einer Website abschätzen lässt. Das kostenlose Tool wird mit erneuerbarer Energie betrieben.
Wenn Sie den CO2-Fußabdruck Ihrer Website berechnen möchten, können Sie den CO2-Kalkulator unter folgendem Link aufrufen: Website Carbon Calculator v3 | What’s your site’s carbon footprint?
Die Gesamtmenge der Treibhausgas-Emissionen
Insgesamt werden in Deutschland 11,6 Tonnen Treibhausgasemissionen pro Kopf und Jahr durch Wohnen, Mobilität, Ernährung, öffentliche Infrastruktur und sonstigen Konsum verursacht. Im Vergleich dazu verursacht die intensive Nutzung digitaler Geräte und Dienste vergleichsweise geringe Mengen an Treibhausgasen – bis zu 1 Tonne CO2e pro Anwender*in und Jahr.
Allerdings ist der Hype um digitale Geräte noch lange nicht abgeklungen, so dass davon auszugehen ist, dass der digitale CO2-Fußabdruck noch deutlich zunehmen wird. Wenn wir in den nächsten Jahrzehnten klimaneutral werden und die globale Erwärmung begrenzen möchten, müssen auch digitale Technologien den Ausstoß von Treibhausgasen verringern.
Die Konzentration auf den CO2-Fußabdruck allein könnte jedoch nicht ausreichen, um eine wirklich nachhaltige KI zu ermöglichen.
Wasser-Fußabdruck von KI
Um globalen Herausforderungen wie dem Klimawandel zu begegnen, werden zunehmend Modelle künstlicher Intelligenz auf energieintensiven Hochleistungscomputern in großen Rechenzentren trainiert und eingesetzt. Leider wird der enorme Wasser-Fußabdruck von KI-Modellen – viele Millionen Liter Wasser, die zur Stromerzeugung und Kühlung der Server aus dem Grundwasser entnommen oder verbraucht werden – bisher weitgehend ignoriert. Ohne entsprechende Gegenmaßnahmen kann der steigende Wasserverbrauch jedoch zu einer Klimakatastrophe führen.
Pengfei Li, Jianyi Yang, Mohammad A. Islam, Shaolei Ren (2023). Making AI Less “Thirsty”: Uncovering and Addressing the Secret Water Footprint of AI Models. University of Colorado Riverside and University of Texas Arlington. 29.10.2023. https://doi.org/10.48550/arXiv.2304.03271.
Obwohl es im natürlichen Ökosystem der Erde einen Kreislauf des Wassers gibt, sind die verfügbaren und nutzbaren Süßwasservorkommen äußerst begrenzt und ungleich auf der Erde verteilt. Bereits heute leiden vier Milliarden Menschen, das sind etwa zwei Drittel der Weltbevölkerung, mindestens einen Monat im Jahr unter akutem Wassermangel.
Großrechenzentren sind extrem durstig
Die Forscher um Pengfei Li erklärten, dass große Rechenzentren, in denen viele KI-Modelle trainiert und eingesetzt werden, bekanntermaßen sehr energieintensiv sind. Dies gelte insbesondere für große Modelle wie GPT-3 und GPT-4 für Sprachdienste. Sie verbrauchen zusammen 1 bis 2 Prozent des gesamten Stroms in der Welt. Dass Rechenzentren auch extrem „durstig“ sind, ist weniger bekannt. Rechenzentren verbrauchen enorme Mengen an Wasser für die Kühlung der Server auf dem Gelände, für die Erzeugung von Elektrizität an einem separaten Standort und für die Herstellung der Server in der Lieferkette.
Großer Trinkwasserverbrauch in den Rechenzentren von Google
Die Forscher gehen davon aus, dass bis 2022 allein die Rechenzentren von Google 25 Milliarden Liter Wasser direkt aus dem Wasserkreislauf entnommen und fast 20 Milliarden Liter für die Kühlung vor Ort verbraucht haben. Damit stiegen Wasserentnahme und Wasserverbrauch der Rechenzentren gegenüber 2021 um insgesamt 20 Prozent, der Gesamtwasserverbrauch von Microsoft im gleichen Zeitraum sogar um 34 Prozent. Ein Grund für diese deutlichen Zuwächse dürfte die steigende Nachfrage nach Anwendungen der Künstlichen Intelligenz sein.
Darüber hinaus schätzen die Wissenschaftler die gesamte Wasserentnahme von Google, Microsoft und Meta auf dem Gelände und außerhalb des Geländes auf 2,2 Milliarden Kubikmeter im Jahr 2022. Zum Vergleich: In ganz Dänemark wird dem Wasserkreislauf in einem Jahr nur halb so viel Wasser entzogen – inklusive kommunaler, industrieller und landwirtschaftlicher Nutzung.
Das Training des GPT-3 Modells für Sprachdienste
Die Wissenschaftler der Universitäten Colorado Riverside und Texas Arlington haben errechnet, dass das Training des GPT-3-Modells für Sprachdienste in Microsofts hochmodernen Rechenzentren in den USA insgesamt bis zu 5,4 Millionen Liter Wasser verbrauchen könnte – davon 700.000 Liter vor Ort. Oder in Größenordnungen, die man sich vorstellen kann: GPT-3 verbraucht eine 500-ml-Flasche Wasser für etwa 10 bis 50 Reaktionen, je nachdem, wann und wo es eingesetzt wird. Für das wesentlich größere Modell GPT-4 könnten sich diese Zahlen noch erhöhen.
Den Wasser-Fußabdruck beeinflussen
Darüber hinaus weisen die Wissenschaftler*innen darauf hin, dass die Wahl des Zeitpunkts und des Ortes, an dem ein großes KI-Modell trainiert wird, einen erheblichen Einfluss auf den Wasser-Fußabdruck haben kann. Um den Wasser-Fußabdruck zu reduzieren, ist es ratsam, Stunden mit hohen Temperaturen während des Tages zu vermeiden. Um jedoch den Kohlenstoff-Fußabdruck zu reduzieren, ist es besser, die Stunden mit viel Sonnenschein zu nutzen, wenn Solarenergie im Überfluss zur Verfügung steht. Einen Ausweg aus diesem Dilemma bieten die Forscher leider nicht.
Wünsche und Empfehlungen der Wissenschaftler
Die Wissenschaftler wünschen sich einhellig mehr Transparenz von den Entwicklern der KI-Modelle und den Betreibern der Rechenzentren. Außerdem empfehlen sie, dass Industrie und Hochschulen gemeinsam vorgehen, um weniger rechenintensive Algorithmen und energieeffizientere Hardware zu erforschen.
Nicht nur Hersteller, Dienstleister, Betreiber von Rechenzentren, Softwareentwickler und nicht zuletzt der Gesetzgeber haben eine besondere Verantwortung für die Reduktion von Treibhausgasemissionen, sondern auch die Konsument*innen selbst. Wir können unseren persönlichen ökologischen Fußabdruck reduzieren, indem wir unseren individuellen digitalen Konsum verändern.
Wir sollten nur hochwertige und langlebige Produkte kaufen
Nicht nur in der Nutzung, sondern auch in der Herstellung müssen digitale Geräte daher energieeffizienter werden. Dazu sollten digitale Geräte hochwertig und reparierbar sein, etwa durch modulare Bauweise, austauschbare Akkus und Ersatzteillieferungen der Hersteller. Außerdem sollte man sich für Geräte entscheiden, die eine langfristige Versorgung mit Software-Updates und Ersatzteilen gewährleisten.
Auch wir Konsument*innen sollten darauf achten, nur hochwertige und langlebige Produkte zu kaufen und möglichst lange zu nutzen.
Surfen im Internet
Für das Surfen im Internet sind Laptops oder Tablets bessere Alternativen als ein Desktop-PC mit Monitor. Bei den Übertragungsoptionen ins Internet ist der Internetzugang über kabelgebundenes LAN oder drahtloses WLAN deutlich energieeffizienter als der Zugang über Mobilfunknetze.
Internet-Router dienen als Zugangspunkt zum Internet. Deshalb sind sie meist rund um die Uhr im Einsatz, halten das WLAN aufrecht oder steuern angeschlossene Telefone, Smart-Home-Geräte oder andere Netzwerkkomponenten. Sie verfügen aber auch über Stromsparfunktionen, die allerdings meist erst durch die Anwender*innen aktiviert werden müssen. So ist es möglich, WLAN-Netze zeitgesteuert (z.B. nachts) abzuschalten und damit Energie zu sparen, da der ständige Stand-by-Betrieb der Router unverhältnismäßig viel Energie verbraucht.
Weitere Tipps
Bei der Übertragung von Videos auf kleine Bildschirme reichen auch geringere Bildschirmauflösungen aus, ohne dass ein Unterschied in der Qualität erkennbar wäre. Oder bei Videokonferenzen bzw. Online-Seminaren könnten die nicht aktiven Teilnehmer*innen Mikrofone und Videokameras abstellen, um so die Datenmengen zu reduzieren. Zudem lässt sich durch einfaches Telefonieren deutlich mehr CO2e einsparen als durch Videotelefonie. Darüber hinaus sollten Cloud-Speicher und Online-Postfächer in regelmäßigen Abständen geleert werden.
Kann KI dennoch helfen?
Thorsten Staake, Wirtschaftsinformatiker und Experte für Energiesysteme, relativiert die Ergebnisse. Die Kernaussage sei zwar richtig. Aber wenn die Programmierung einer Navigations-App so viel CO2 verbraucht wie fünf Autos, durch intelligente Verkehrssteuerung aber Emissionen eingespart werden können, kann KI auch einen Beitrag zum Klimaschutz leisten.
Adrian Lobe (2019). ENERGIEVERBRAUCH:KI ist alles andere als grün. Spektrum.de. 26.07.2019. Künstliche Intelligenz verbraucht für den Lernprozess unvorstellbar viel Energie – Spektrum der Wissenschaft
Wichtig ist daher, dass wir Konsument*innen beim digitalen Konsum ein Bewusstsein entwickeln, denn in anderen Konsumbereichen ist die Aufklärung für einen klimafreundlichen Lebensstil schon weiter fortgeschritten.
Die englische Übersetzung dieses Artikels finden Sie unter: Artificial intelligence: too hungry and too thirsty