UN-Resolution zu KI: Menschlichkeit und Würde müssen an erster Stelle stehen

von | 10 Apr. 2024

Die Generalversammlung der Vereinten Nationen (UN) hat am 11. März 2024 ihre Abschlusserklärung „Seizing the opportunities of safe, secure and trustworthy artificial intelligence systems for sustainable development“ (Nutzung der Möglichkeiten zuverlässiger, sicherer und vertrauenswürdiger Systeme der künstlichen Intelligenz für eine nachhaltige Entwicklung) veröffentlicht. Auch wenn diese Resolution völkerrechtlich nicht bindend ist, sondern nur Leitlinien und Empfehlungen enthält, ist sie beachtenswert. Denn die Generalversammlung betont die Notwendigkeit, einen globalen Konsens über sichere und vertrauenswürdige Systeme der künstlichen Intelligenz (KI) im Einklang mit dem Völkerrecht, insbesondere der Charta der Vereinten Nationen, der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte und der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung zu erreichen.

Siehe auch: Möglichkeiten zuverlässiger, sicherer und vertrauenswürdiger KI-Systeme für eine nachhaltige Entwicklung

„Lassen Sie uns also bekräftigen, dass die Entwicklung und der Einsatz von KI unter Achtung der Menschlichkeit und Würde, der Sicherheit, der Menschenrechte und der Grundfreiheiten erfolgen soll“. So fasste Linda Thomas-Greenfield, US-Botschafterin und Ständige Vertreterin bei den Vereinten Nationen, den Resolutionsentwurf vor der Verabschiedung zusammen. Sie sprach die Hoffnung aus, dass „der integrative und konstruktive Dialog, der zu dieser Resolution geführt hat, als Modell für zukünftige Diskussionen über KI-Herausforderungen in anderen Bereichen dienen wird“ und mahnte die UN-Mitgliedsstaaten, „diese Technologie zu beherrschen, anstatt uns von ihr beherrschen zu lassen“.

Die Europäer waren schneller

Die UN-Entscheidung ist jedoch nicht die erste im Bereich der KI-Gesetzgebung. Die Europäische Union und andere Staaten sind den UN-Gesetzgebern einen Schritt voraus. Bereits im Dezember 2023 hat die Europäische Union einen Vorschlag für ein KI-Gesetz angenommen (siehe EU beschließt KI-Gesetz). Im März 2024 hat sie ihr KI-Gesetz endgültig verabschiedet. Dieses verpflichtet die Entwickler von KI-Technologien, ihre Trainingsdaten offenzulegen und strenge Tests über die Auswirkungen und Funktionsweise der Technologie durchzuführen.

Einstimmig angenommen

Die Vereinten Nationen haben die von den Vereinigten Staaten von Amerika initiierte Resolution zur Förderung der sicheren und vertrauenswürdigen Entwicklung von künstlicher Intelligenz einstimmig angenommen. Dies zeige, wie künstliche Intelligenz „die üblichen geopolitischen Spaltungen überwunden hat“, sagte ein hochrangiger Vertreter der US-Regierung. Die UN-Entscheidung ist das Ergebnis der bisher größten internationalen Anstrengung, eine Einigung über die Technologie der künstlichen Intelligenz zu erzielen. Allerdings gibt es keine Durchsetzungsmechanismen für den Fall, dass sich Länder nicht an die Resolution halten.

Seit Herbst 2023 haben US-Beamte mit mehr als 120 Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen verhandelt. Trotz „vieler hitziger Diskussionen“ mit Gegnern wie Russland und China sei am Ende ein Text herausgekommen, dem niemand widersprechen könne und der deshalb von der UN-Generalversammlung im Konsens angenommen worden sei.

Sichere und vertrauenswürdige KI

Die UN-Resolution zur künstlichen Intelligenz wurde von mehr als 120 Staaten angenommen. In dem verabschiedeten Text wird der Begriff „sichere und vertrauenswürdige Systeme der künstlichen Intelligenz“ mehr als zwei Dutzend Mal verwendet. Darüber hinaus wird gleich zu Beginn betont, dass sich der Bereich der künstlichen Intelligenz ständig weiterentwickelt. Daher sei eine kontinuierliche Diskussion über die unterschiedlichen Bedürfnisse und Kapazitäten der einzelnen Länder, insbesondere der Entwicklungsländer, notwendig.

Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten

Die Generalversammlung beginnt ihre Resolution mit einer Bekräftigung des Völkerrechts und der Charta der Vereinten Nationen und erinnert an die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte. Sie weist darauf hin, dass auch im digitalen Zeitalter die Menschenrechte und die Privatsphäre bei der Nutzung digitaler Technologien besonders geschützt und gefördert werden müssen.

Die Vereinten Nationen betonen, dass die Menschenrechte und Grundfreiheiten während des gesamten Lebenszyklus von KI-Systemen geachtet, geschützt und gefördert werden müssen. Sie fordern daher alle Mitgliedsstaaten auf, nur solche KI-Systeme einzusetzen, die im Einklang mit internationalen Menschenrechtsstandards betrieben werden können. Die gleichen Rechte, die Menschen offline haben, müssen auch online gelten.

Für eine nachhaltige Entwicklung

Darüber hinaus bekräftigt die UN-Generalversammlung ihre Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung und erkennt gleichzeitig an, dass sichere und vertrauenswürdige Systeme künstlicher Intelligenz (KI-Systeme) dazu beitragen können, alle 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen (THE 17 GOALS | Sustainable Development (un.org)) zu erreichen. Daher beschließt die Generalversammlung, sichere und vertrauenswürdige KI-Systeme zu fördern, die zur vollständigen Umsetzung der Agenda 2023 für nachhaltige Entwicklung und zur Erreichung aller wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Nachhaltigkeitsziele beitragen.

siehe auch: KI-Technologien: Im Dienste der Nachhaltigkeit

Darüber hinaus ist die Generalversammlung davon überzeugt, dass sichere und vertrauenswürdige KI-Systeme den digitalen Wandel vorantreiben, den Frieden fördern und die digitale Kluft zwischen und innerhalb von Ländern überbrücken können. Entscheidend sei jedoch, dass der Mensch im Mittelpunkt stehe. Insbesondere Entwicklungsländer müssen technisch und finanziell unterstützt werden, damit auch sie Kapazitäten aufbauen können.

Zusammenarbeit mit Entwicklungsländern

Die Generalversammlung fordert ihre Mitgliedstaaten auf, mit den Entwicklungsländern zusammenzuarbeiten, um deren digitale Infrastruktur und den Zugang zu technologischen Innovationen zu verbessern und die Kapazitäten der am wenigsten entwickelten Länder im Bereich der künstlichen Intelligenz zu stärken. Darüber hinaus sollen Entwicklungsländer in internationale Prozesse und Foren zur Governance von KI-Systemen einbezogen werden.

Schutz vor Diskriminierung, Benachteiligung und Missbrauch

Die Vereinten Nationen wollen Menschen vor allen Formen von Diskriminierung, Voreingenommenheit und Missbrauch schützen. Sie fordern ihre Mitgliedsländer auf, sichere und vertrauenswürdige KI-Systeme auf integrative und gerechte Weise zum Nutzen aller zu fördern und niemanden zurückzulassen. Dabei sollen sowohl die Privatsphäre und personenbezogene Daten als auch die Rechte des geistigen Eigentums, einschließlich urheberrechtlich geschützter Inhalte, geschützt werden. Gleichzeitig sollen aber auch Innovationen gefördert werden.

Die Mitgliedstaaten sollen außerdem Möglichkeiten schaffen, um die digitale Kluft zwischen den Geschlechtern zu überwinden und die Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen, die Gleichstellung von Männern und Frauen und die Rassengleichstellung in die politischen Entscheidungen einzubeziehen.

Datenmanagement überwachen

Die Generalversammlung der Vereinten Nationen erkennt an, dass Daten für die Entwicklung und den Betrieb von KI-Systemen von entscheidender Bedeutung sind. Sie fordert daher die Mitgliedstaaten nachdrücklich auf, die internationale Zusammenarbeit, Kooperation und Unterstützung beim Datenmanagement zu fördern. Sie betont, dass die UN-Mitgliedstaaten ihre Zusammenarbeit verstärken sollten, um faire, offene, integrative und diskriminierungsfreie Rahmenbedingungen zu schaffen, und ermutigt die Mitgliedstaaten daher, faire Wettbewerbsbedingungen für kleine Unternehmen, Unternehmer und technische Talente zu fördern. 

Darüber hinaus wollen die Vereinten Nationen wirksame, zugängliche, anpassbare und dialogfähige technische Instrumente, Standards oder Verfahren auf globaler Ebene fördern, um den Ursprung und die Entstehung öffentlicher Inhalte feststellen zu können. Dadurch sollen Nutzerinnen und Nutzer in die Lage versetzt werden, Manipulationen von Informationen zu erkennen, authentische digitale Inhalte von solchen zu unterscheiden, die durch künstliche Intelligenz erzeugt oder manipuliert wurden, oder deren Herkunft festzustellen. Darüber hinaus wollen die Vereinten Nationen die Transparenz, Vorhersehbarkeit, Zuverlässigkeit und Verständlichkeit von Entscheidungen fördern, die von KI-Systemen getroffen werden.

Den Informationsaustausch fördern

Die Generalversammlung ruft zudem dazu auf, den Informationsaustausch zwischen den verschiedenen Akteuren zu fördern und zu intensivieren. Denn um das Potenzial sicherer und vertrauenswürdiger KI-Systeme für eine nachhaltige Entwicklung auszuschöpfen, sei eine gerechte, integrative, verantwortungsvolle und effiziente Nutzung digitaler öffentlicher Güter unerlässlich, so die UN.

Grundlage der Resolution

Die verabschiedete UN-Resolution baut auf einer früheren internationalen KI-Vereinbarung auf. Diese war jedoch in die Kritik geraten, weil sie die Entwicklungsländer außen vor gelassen hatte.

Im November 2023 unterzeichneten die USA, China, die Europäische Union, Großbritannien und mehr als 20 weitere Staaten die sogenannte Bletchley-Erklärung, die darauf abzielte, existenzielle Sicherheitsrisiken der Technologie zu vermeiden und die internationale Zusammenarbeit in der Forschung zu fördern.

Gipfeltreffen zur Künstlichen Intelligenz im englischen Bletchley Park

In Bletchley Park, einem geschichtsträchtigen Ort im Nordwesten Londons, der bereits im Zweiten Weltkrieg Berühmtheit erlangte, trafen sich Anfang November 2023 Regierungschefs aus sechs Kontinenten zu einem Gipfel über die Risiken der künstlichen Intelligenz.

Die Europäische Union und 27 Länder, darunter die Vereinigten Staaten und China, einigten sich in Großbritannien auf eine bahnbrechende Erklärung, um die Risiken zu begrenzen und die Vorteile der künstlichen Intelligenz zu nutzen. Neben der US-Vizepräsidentin Kamala Harris, dem britischen Premierminister Rishi Sunak und anderen führenden Politikern aus aller Welt nahmen auch hochrangige Tech-Führungskräfte wie Elon Musk, Sam Altman, DeepMind-Gründer Demis Hassabis und Microsoft-Chef Brad Smith an der zweitägigen Veranstaltung teil.

Die Teilnehmer erklärten sich bereit, Experten des neuen britischen Instituts für KI-Sicherheit zu erlauben, neue KI-Modelle auf Risiken zu testen, bevor sie für die Öffentlichkeit freigegeben werden. Leider gibt es nur wenige Details darüber, wie die Tests ablaufen sollen. Zudem sind die Vereinbarungen weitgehend freiwillig.

KI-Resolution nur für zivilen Bereich

KI-Technologie wird bereits heute auf Schlachtfeldern und in Wahlkämpfen eingesetzt und könnte sogar Einfluss auf den Ausgang von Kriegen haben. Die KI-Resolution gelte aber ausdrücklich nicht für künstliche Intelligenz im militärischen Bereich, betonen UN-Diplomaten.

Von Mitte April bis zum 10. Mai 2024 ist eine weitere UN-Generalversammlung geplant, die den (vorläufigen) Tagesordnungspunkt „Tödliche autonome Waffensysteme“ beinhalten wird. Es ist an der Zeit, dass sich die internationale Gemeinschaft diesen Herausforderungen stellt.

Die englische Übersetzung dieses Artikels finden Sie unter: UN resolution on AI: humanity and dignity must come paramount

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