KI-Technologien: Im Dienste der Nachhaltigkeit

von | 25 Mrz. 2024

Die rasante Entwicklung der künstlichen Intelligenz (KI) hat die Welt in ihren Bann gezogen und sowohl Aufregung als auch Besorgnis ausgelöst und wichtige Fragen zu den möglichen Auswirkungen auf die Weltwirtschaft aufgeworfen. Der Einfluss der künstlichen Intelligenz auf die Volkswirtschaften ist komplex und lässt sich nur schwer vorhersagen. Sicher ist jedoch, dass Künstliche Intelligenz nicht nur ein Motor des technologischen Fortschritts, sondern auch ein leistungsfähiges Instrument ist, mit dem die Ziele der nachhaltigen Entwicklung erreicht werden können. Indem KI Daten intelligent analysiert und komplexe Prozesse automatisiert, kann sie dazu beitragen, Ressourcen effizienter zu nutzen und Umweltbelastungen zu minimieren.

Dieser Artikel stellt zunächst die Ziele der nachhaltigen Entwicklung vor und diskutiert dann, wie künstliche Intelligenz dazu beitragen kann, unsere Nachhaltigkeitsziele zu erreichen. Dazu werden die Auswirkungen der KI-Technologie auf Gesellschaft, Umwelt und Wirtschaft analysiert. Besonderes Augenmerk wird auf die Auswirkungen von KI auf den globalen Arbeitsmarkt und durch KI-Technologien verursachte Ungleichheiten gelegt, um die Kernfrage zu beantworten, ob und wie KI-Technologien zu einer nachhaltigen Zukunft beitragen können.

Welche Ziele verfolgt die nachhaltige Entwicklung?

Im Jahr 2015 trafen sich führende Politiker aus aller Welt und gaben ein bahnbrechendes Versprechen ab, das Recht und das Wohlbefinden aller Menschen auf einem gesunden und wohlhabenden Planeten zu gewährleisten. Die Ziele für nachhaltige Entwicklung (Sustainable Development Goals, SDGs) sind eine Aufforderung an alle Länder, ob arm, reich oder mit niedrigem Einkommen, Maßnahmen zu ergreifen, um das Wohlergehen zu fördern und den Planeten zu schützen. Alle Länder sind sich einig, dass die Beseitigung der Armut Hand in Hand gehen muss mit Strategien zur Förderung des Wirtschaftswachstums und zur Befriedigung einer Reihe sozialer Bedürfnisse wie Bildung, Gesundheit, soziale Sicherheit und Beschäftigungsmöglichkeiten. Auch der Kampf gegen den Klimawandel und der Schutz der Umwelt müssen Teil dieser Bemühungen sein.

The Sustainable Development Goals (SDGs), https://www.un.org/sustainabledevelopment

Die Vereinten Nationen haben folgende Ziele für eine nachhaltige Entwicklung festgelegt:

Keine Armut

Keinen Hunger

Gesundheit und Wohlergehen

Hochwertige Bildung

Gleichstellung der Geschlechter

Sauberes Wasser und Sanitärversorgung

Bezahlbare und saubere Energie

Menschenwürdige Arbeit und wirtschaftliches Wachstum

Industrie, Innovation und Infrastruktur

Abbau von Ungleichheiten

Zukunftsfähige Städte und Gemeinden

Verantwortungsbewusster Konsum und Produktion

Klimaschutz

Leben unter Wasser

Leben an Land

Frieden, Gerechtigkeit und starke Institutionen

Partnerschaften für die Ziele

Die Ziele für eine nachhaltige Entwicklung sind das Leitbild für eine bessere und nachhaltigere Zukunft für alle. Sie befassen sich mit den globalen Herausforderungen, vor denen wir stehen. Die Ziele sind alle miteinander verwoben und um niemanden zurückzulassen, ist es wichtig, dass wir sie bis 2030 erreichen.

Die Ziele für eine nachhaltige Entwicklung wurden in der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung international vereinbart:

Transforming our world : the 2030 Agenda for Sustainable Development : resolution / adopted by the General Assembly, UN. General Assembly (70th sess. : 2015-2016). 2015.

Wie kann künstliche Intelligenz helfen, unsere Nachhaltigkeitsziele zu erreichen?

Eine Forschergruppe vom Institut für Technische Mechanik der Königlich Technischen Hochschule (KTH) in Schweden hat erforscht, wie KI dazu beitragen kann, die Zielvorgaben der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung zu erreichen. Professor Ricardo Vinuesa und seine Kollegen stellen fest, dass KI dazu beitragen kann, fast 80 Prozent aller Nachhaltigkeitsziele zu erreichen, indem sie technologische Verbesserungen aufzeigt, mit denen einige der derzeitigen Einschränkungen überwunden werden können. Bei gut einem Drittel der Nachhaltigkeitsziele werden jedoch auch negative Auswirkungen durch die Entwicklung von KI erwartet.

Vinuesa, R., Azizpour, H., Leite, I., Balaam, M., Dignum, V., Domisch, S., Felländer, A., Langhans, S. D., Tegmark, M., & Fuso Nerini, F. (2020). The role of artificial intelligence in achieving the Sustainable Development Goals. Nature Communications, 11(1), 233. The role of artificial intelligence in achieving the Sustainable Development Goals | Nature Communications

Definition von KI

Da es keine international vereinbarte Definition von KI gab, mussten die Forscher für ihre Studie erst einmal definieren, was künstliche Intelligenz für sie bedeutet:  Als KI gilt jede Software-Technologie, die mindestens eine der folgenden Fähigkeiten besitzt: Wahrnehmung, einschließlich auditiv, visuell, textuell und taktil (z. B. Gesichtserkennung), Entscheidungsfindung (z. B. medizinische Diagnosesysteme), Vorhersage (z. B. Wettervorhersage), automatische Wissensextraktion und Mustererkennung aus Daten (z. B. Erkennung von Fake-News-Kreisen in sozialen Medien), interaktive Kommunikation (z. B. Social Bots oder Chatbots) und logische Schlussfolgerung (z. B. Entwicklung von Theorien aus Prämissen).

Drei Säulen der nachhaltigen Entwicklung

Darüber hinaus teilen die Forscher die Ziele der nachhaltigen Entwicklung in drei Kategorien ein: Gesellschaft, Umwelt und Wirtschaft.

KI und gesellschaftliche Auswirkungen

Den schwedischen Forschern zufolge kann künstliche Intelligenz dabei helfen, 82 Prozent der Ziele der Gruppe Gesellschaft zu erreichen, darunter die Beseitigung der Armut, hochwertige Bildung, sauberes Wasser und Sanitärversorgung, bezahlbare und saubere Energie sowie nachhaltige Städte. Mit Hilfe intelligenter Algorithmen könnte beispielsweise die Versorgung der Bevölkerung mit Lebensmitteln, Medikamenten, Wasser und Energie organisiert werden. Darüber hinaus könnten Ressourcen durch die Schaffung von Kreislaufwirtschaften und intelligenten Städten effizient genutzt werden.

KI und ökologische Ergebnisse

Die Forscher fanden heraus, dass künstliche Intelligenz sich zu 93 Prozent positiv auf die Gruppe der Umweltziele auswirken könnte, die den Klimaschutz, das Leben unter Wasser und das Leben an Land betreffen. Die Vorteile der KI liegen in der Analyse großer vernetzter Datensätze, um gemeinsame Maßnahmen zum Schutz der Umwelt zu entwickeln. Das Ziel, Meeresverschmutzungen aller Art zu verhindern und deutlich zu reduzieren, kann durch Algorithmen zur automatischen Erkennung möglicher Ölverschmutzungen unterstützt werden. Andere KI-Techniken können dazu beitragen, Wüstenbildungstendenzen zu erkennen, was für Umweltplanung, Entscheidungsfindung und Management relevant ist.

KI und wirtschaftliche Ergebnisse

Für 70 Prozent dieser Nachhaltigkeitsziele haben die Wissenschaftler Vorteile durch KI-basierte Technologien identifiziert, insbesondere im Hinblick auf Produktivitätssteigerungen. Wenn die Märkte der Zukunft jedoch stark von Datenanalysen abhängen und diese Ressourcen in Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen nicht in gleichem Maße zur Verfügung stehen, könnten diese Volkswirtschaften wirtschaftlich abgehängt werden. Dies würde menschenwürdige Arbeit und Wirtschaftswachstum, Industrie, Innovation und Infrastruktur sowie den Abbau von Ungleichheiten erheblich beeinträchtigen.

Ebenso kann KI beispielsweise die Nutzung sozialer Medien negativ beeinflussen, indem den Nutzern Inhalte angezeigt werden, die auf ihre vorgefassten Meinungen zugeschnitten sind. Dies kann zu einer politischen Polarisierung führen und sich negativ auf den sozialen Zusammenhalt und damit auch auf den Abbau von Ungleichheiten auswirken. Ohne angemessene Regulierung könnten die enormen Datenmengen, die von den Bürgerinnen und Bürgern erzeugt werden, genutzt werden, um die Meinung der Verbraucher*innen über ein bestimmtes Produkt oder ein politisches Thema zu beeinflussen.

Auswirkungen von KI auf den globalen Arbeitsmarkt

Die Chefin des Internationalen Währungsfonds, Kristalina Georgieva, berichtet im IMFBlog von einer Analyse des Internationalen Währungsfonds (IWF), die die Auswirkungen von künstlicher Intelligenz auf den globalen Arbeitsmarkt untersucht hat.

Im IMFBlog äußern sich Mitarbeiter und Beamte des Internationalen Währungsfonds (IWF) zu aktuellen wirtschaftlichen und politischen Themen. Der IWF mit Sitz in Washington D.C. ist eine Organisation, der 190 Länder angehören und deren Ziel es ist, die globale Zusammenarbeit in der Geld- und Währungspolitik zu fördern und die finanzielle Stabilität auf der ganzen Welt zu sichern.

Hochqualifizierte Arbeitsplätze betroffen

Nach Analysen des IWF sind weltweit rund 40 Prozent der Arbeitsplätze von künstlicher Intelligenz betroffen. Während Automatisierung und Informationstechnologien in der Vergangenheit eher Routineaufgaben betrafen, sind von künstlicher Intelligenz eher hochqualifizierte Arbeitsplätze betroffen. Aus diesem Grund sind die Risiken im Zusammenhang mit KI in den Industrieländern größer, aber auch die Chancen zur Nutzung der Vorteile größer als in den Schwellen- und Entwicklungsländern.

In den hochentwickelten Volkswirtschaften könnten rund 60 Prozent der Beschäftigten vom Einsatz künstlicher Intelligenz betroffen sein. Etwa die Hälfte von ihnen könnte von KI profitieren und ihre Produktivität steigern. Bei der anderen Hälfte könnten KI-Anwendungen die Arbeit von Menschen übernehmen, was die Nachfrage nach Arbeitskräften verringern und zu niedrigeren Löhnen und weniger Neueinstellungen führen könnte. Im Extremfall könnten einige dieser Arbeitsplätze wegfallen.

KI verschärft globale Ungleichheit

Schwellen- und Entwicklungsländer scheinen weniger direkt von KI betroffen zu sein, da der Anteil von KI-Anwendungen in Schwellenländern auf 40 Prozent und in Ländern mit niedrigem Einkommen auf 26 Prozent geschätzt wird. Gleichzeitig verfügen viele dieser Länder nicht über die Infrastruktur oder die Fachkräfte, um von den Vorteilen der KI zu profitieren, so dass die Gefahr besteht, dass die Technologie mit der Zeit die Unterschiede zwischen den Ländern noch vergrößert.

Kristalina Georgieva kommentiert: „Das Zeitalter der KI steht vor der Tür, und es liegt noch in unserer Hand, dafür zu sorgen, dass es Wohlstand für alle bringt.“

Kristalina Georgieva (2024). Artificial intelligence. AI Will Transform the Global Economy. Let’s Make Sure It Benefits Humanity. IMF Blog. AI Will Transform the Global Economy. Let’s Make Sure It Benefits Humanity. (imf.org).

Automatisch benachteiligt?

Die Unabhängige Bundesbeauftragte für Antidiskriminierung, Ferda Ataman, präsentierte ein Rechtsgutachten der Professoren Indra Spiecker und Emanuel V. Towfigh, das Klarheit darüber bringen soll, was passiert, wenn eine Diskriminierung nicht von einem Menschen, sondern einem algorithmische Entscheidungssystem ausgeht.

In dem vorgestellten Gutachten wird als zentrales Problem die Fehleranfälligkeit von Systemen zur automatischen Entscheidungsfindung gesehen: Die Qualität der digitalen Entscheidungsfindung hänge wesentlich von den Eingangsdaten ab. In der Regel sei weder für die Anwender*innen noch für die Adressat*innen der Systeme nachvollziehbar, ob diese Daten fehlerfrei oder überhaupt für ihren Zweck geeignet sind. Häufig sei den Betroffenen gar nicht bewusst, dass ein KI-System eingesetzt wurde. Hinzu kommt, dass Informationen über die Funktionsweise der Systeme meist nicht zur Verfügung gestellt werden. Damit seien die Möglichkeiten, Diskriminierung durch KI-Systeme zu erkennen und zu bekämpfen, sehr eingeschränkt.

Ferda Ataman kommentierte dieses Ergebnis besorgt: „KI macht vieles leichter – leider auch Diskriminierung. Ob in Bewerbungsverfahren, bei Bankkrediten, Versicherungen oder der Vergabe staatlicher Leistungen: Immer öfter übernehmen automatisierte Systeme oder künstliche Intelligenz Entscheidungen, die für Menschen im Alltag wichtig sind. Hier werden Wahrscheinlichkeitsaussagen auf der Grundlage von pauschalen Gruppenmerkmalen getroffen. Was auf den ersten Blick objektiv wirkt, kann automatisch Vorurteile und Stereotype reproduzieren. Die Gefahren digitaler Diskriminierung dürfen wir auf keinen Fall unterschätzen.“

Antidiskriminierungsbeauftragte will den Schutz vor digitaler Diskriminierung ausweiten. Gutachten zu Schutz vor Diskriminierung durch algorithmische Entscheidungssysteme. 30.08.2023. Antidiskriminierungsstelle des Bundes, Berlin. Antidiskriminierungsstelle – Aktuelle Meldungen – Antidiskriminierungsbeauftragte will Schutz vor digitaler Diskriminierung ausweiten.

Letztlich kann so die Frage beantwortet werden, ob und wie KI-Technologien zu einer nachhaltigen Zukunft beitragen können:

Wir stehen an einem entscheidenden Wendepunkt für eine nachhaltige und gerechte Zukunft der künstlichen Intelligenz. Es ist jetzt notwendig, dass Vertreterinnen und Vertreter aller Nationen und Kulturen eine globale und wissenschaftliche Debatte zur Entwicklung gemeinsamer Prinzipien und Gesetze führen, damit wir eine Zukunft mit nachhaltiger und entwicklungsfreundlicher KI gestalten können.

Ebenso wichtig ist es, dass alle Anwendungen offenlegen, welche Entscheidungen bei ihrer Entwicklung und Nutzung getroffen wurden. Informationen darüber, woher die Daten stammen, die für die Trainingsalgorithmen verwendet werden, und wie sie verwaltet werden, sollten ebenso offengelegt werden wie die Frage, ob und wie sie mit bestehenden KI-Richtlinien übereinstimmen.

„Digitalisierung gehört die Zukunft. Sie darf aber nicht zum Albtraum werden. Menschen müssen darauf vertrauen können, dass sie durch KI nicht diskriminiert werden – und sich wehren können, wenn es doch passiert. Deshalb brauchen wir klare und nachvollziehbare Regeln“, sagte Ferda Ataman. 

Die englische Übersetzung diese Artikels finden Sie unter: AI technologies: Working for sustainability

WordPress Cookie Plugin von Real Cookie Banner